Mobiles Menu Mobiles Menu Close

Umfeldentwicklung

Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie stellt Russlands Krieg gegen die Ukraine die EU-Wirtschaft vor neue Herausforderungen. Die Aussichten für die EU-Wirtschaft vor Ausbruch des Kriegs sahen eine längere und robuste Expansionsphase vor. Die Europäische Kommission rechnet nun aber mit einem geringeren Wachstum und einer höheren Inflation, insbesondere für 2022. Eine Eskalation des Kriegs, ein plötzlicher Stopp der Energielieferungen oder eine weitere Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in den USA und China könnten die Aussichten zusätzlich belasten. Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die deutsche Wirtschaft laut Statistischem Bundesamt (Destatis) mit einem leichten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP, 1. Quartal 2022 +0,2 % zum Vorquartal) in das Jahr 2022 gestartet. Während in Schweden das BIP im gleichen Zeitraum leicht schrumpfte (-0,8 % zum Vorquartal), wuchs es in Österreich laut Daten der OECD mit 1,5 % zum Vorquartal vergleichsweise kräftig. Für 2022 erwartet z. B. die OECD laut Economic Outlook (vorläufige Version) vom Juni 2022 ein BIP-Wachstum von 1,9 % in Deutschland, 2,2 % in Schweden und 3,6 % in Österreich.

Der Arbeitsmarkt entwickelte sich trotz des Ukraine-Kriegs im Mai noch weiter günstig. Die umfassende Erfassung ukrainischer Geflüchteter hatte aber im Juni kräftigen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in Deutschland. Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen im Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahr nicht saisonbereinigt um 0,5 Prozentpunkte auf 5,2 % gesunken. Die ukrainische Fluchtmigration dürfte das Niveau der Arbeitslosenquote um 0,3 Prozentpunkte erhöht haben. In Schweden betrug die Arbeitslosenquote laut Statistik Schweden (SCB) im Mai 2022 8,5 %, 1,3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. In Österreich lag die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung laut Arbeitsmarktservice im Juni 2022 bei 5,5 % und damit 1,5 Prozentpunkte niedriger als im Vorjahr. Im Jahresdurchschnitt 2022 wird eine Arbeitslosenquote nach jeweils nationaler Definition von in Deutschland 5,1 % (IfW Kiel), in Schweden 7,6 % (Konjunkturinstitutet) und in Österreich 6,3 % (WIFO) erwartet.

Die Inflation, gemessen am jeweiligen nationalen Verbraucherpreisindex (VPI), ist gegenüber dem Vorjahr weiter gestiegen und lag im Juni 2022 bei voraussichtlich 7,6 % in Deutschland, 8,7 % in Schweden und 8,7 % in Österreich. Getrieben wird die Entwicklung durch die insbesondere seit Beginn des Kriegs in der Ukraine deutlich gestiegenen Energiepreise, aber auch durch zuletzt merklich gestiegene Nahrungsmittelpreise. Im Jahresdurchschnitt 2022 dürften die Inflationsraten etwas niedriger ausfallen. Nach jeweils nationaler Definition wird ein VPI-Anstieg von in Deutschland 7,4 % (IfW Kiel), in Schweden 6,8 % (Konjunkturinstitutet) und in Österreich 7,8 % (WIFO) erwartet.

Die Europäische Zentralbank EZB kündigte im Juni die erste Zinserhöhung seit gut zehn Jahren an. Die Leitzinsen für den Hauptrefinanzierungssatz steigen zum 27. Juli 2022 um 50 Basispunkte. Bereits zum 1. Juli 2022 stellt die EZB die Anleihenkäufe ein. Die hohe Inflationsrate veranlasste auch die Schwedische Reichsbank, die Policy Rate zunächst im Mai 2022 auf 0,25 % und Anfang Juli auf 0,75 % anzuheben. In der zweiten Jahreshälfte wird die Reichsbank zudem in geringerem Umfang Anleihen kaufen als ursprünglich beschlossen. Weitere Anhebungen von Leitzins bzw. Policy Rate können im laufenden Jahr folgen. Derweil hat sich z. B. in Deutschland die seit Jahresbeginn anhaltende Aufwärtsbewegung der durchschnittlichen Bestzinsen für Baufinanzierungen nach kurzer Verschnaufpause Anfang Juni bis zum Monatsende weiter fortgesetzt, berichtet die zum Hypoport-Netzwerk gehörende Qualitypool.

Die Wohnungsmärkte in Deutschland, Schweden und Österreich haben sich in der Corona-Krise als robust erwiesen. Die Mieten steigen weiter an. Deutschlandweit lagen die inserierten Mieten laut empirica im Durchschnitt aller Baujahre im 2. Quartal 2022 um 5,3 % (Neubau 5,5 %) höher als im Vorjahresquartal. Weitere Mietsteigerungen sind im Jahr 2022 wahrscheinlich. Anfang April waren in Schweden laut „Hem & Hyra“, der Mitgliederzeitung des schwedischen Mieterverbands („Hyresgästföreningen“), 81 % aller Mieten für 2022 verhandelt. Die durchschnittliche Mietsteigerung betrug bis dahin 1,71 %. Gemessen am Index für tatsächliche Mietzahlungen für Hauptwohnungen im Rahmen des Verbraucherpreisindex, stiegen auch die Mieten in Österreich seit Jahresbeginn insgesamt leicht an, nachdem sie im Jahresverlauf 2021 Dämpfer verzeichneten.

Wohneigentum hat sich gegenüber dem Vorjahr weiter verteuert. Der empirica Preisindex für Deutschland für Eigentumswohnungen (alle Baujahre) stieg zum 2. Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 9,2 % (Neubau 10,5 %). Die Experten der BayernLB erwarten eine spürbare Abschwächung der positiven Preisdynamik im Jahresverlauf 2022 in Deutschland. Die Preise für Mieter-Eigentümer-Wohnungen in Schweden („Bostadsrätter“) stiegen laut Svensk Mäklarstatistik im Juni 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,0 %. Die Preisentwicklung hatte aber zuletzt Dämpfer zu verzeichnen. Die Werte des aktuellen Wohnimmobilienpreisindex der Österreichischen Nationalbank (OeNB) auf Basis neuer und gebrauchter Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser in Österreich zeigen für das 1. Quartal 2022 einen Anstieg von 12,3 % gegenüber dem Vorjahr. Das zweite Halbjahr dürfte, laut Einschätzung von Raiffeisen Research aus März diesen Jahres, weniger dynamisch verlaufen als das erste. Nicht zuletzt wegen der sich öffnenden Schere zwischen Kaufpreisen und Mieten zeigt z. B. der empirica-Blasenindex für Deutschland im 1. Quartal 2022 für 342 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten eine mäßige bis hohe Gefahr. Neben die Nachfrage belastenden Faktoren wirken derzeit jedoch auch nachfrage- und preisstabilisierende Faktoren, wie die Zuwanderung oder das fallende Neubauangebot. Die Abweichung der Preisentwicklung bei Wohnimmobilien in Österreich von der Entwicklung der im Fundamentalpreisindikator der OeNB enthaltenen Faktoren hat sich weiter beschleunigt, was auf eine zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarktes hindeutet. Trotz jüngster Preisdämpfer schätzen Experten das Risiko einer Immobilienblase in Schweden derzeit als gering ein.

Die Bevölkerung in Deutschland, Schweden und Österreich ist 2021 gewachsen. Es fehlt in vielen großen Städten und Metropolregionen nach wie vor an Wohnungen. Indessen sank die Bautätigkeit in Deutschland. 2021 wurden laut Destatis nur 293.393 Wohnungen fertiggestellt (2020: 306.376). Die Bundesregierung hat sich das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen in Deutschland gesetzt. Die deutsche Immobilienwirtschaft rechnet im Zuge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine mit bis zu 1,29 Millionen Geflüchteten und einem kurzfristigen Bedarf von bis zu 500.000 zusätzlichen Wohnungen. Laut Schätzung von Boverket müssen in Schweden bis 2030 jährlich rund 63.400 Wohnungen neu gebaut werden. 2021 wurden nur knapp 53.000 Wohnungen fertiggestellt. In Österreich hat laut Bank Austria der Wohnungsbau in den letzten Jahren dem stark gestiegenen Bedarf an Wohnraum weitgehend Rechnung getragen. Es dürften aber vor allem im Bereich günstiger Mietwohnungen in den Ballungszentren Lücken bestehen. Im Umfeld der Nachwirkungen der Corona-Pandemie und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind derweil die Bauindustrien mit gestiegenen Preisen, gestörten Lieferketten und bestehendem oder drohendem Materialmangel konfrontiert. In Deutschland und Österreich fehlt es zudem an ausreichend Fachkräften. DB Research meldete zuletzt Ende Juni positive Zeichen für Deutschland in Form wieder fallender Rohstoffpreise und abflauender Material- und Personalengpässe.

Der Wohninvestmentmarkt Deutschland zeigte ein verhaltenes erstes Halbjahr 2022. Das Transaktionsvolumen betrug laut CBRE 7,7 Mrd. € und lag damit unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf ersten Halbjahre. Während angesichts der Zinswende die Spitzenrenditen stiegen, blieben die Durchschnittsrenditen im Bestand und Neubau stabil. In Schweden lag das Volumen am Wohninvestmentmarkt laut Newsec im 1. Halbjahr 2022 bei rund 34,9 Mrd. SEK und damit etwa 7,5 % niedriger als im Vorjahreszeitraum. Laut EHL verzeichnete der österreichische Immobilieninvestmentmarkt im 1. Halbjahr ein Transaktionsvolumen von rund 2 Mrd. €. Der Anteil der institutionellen Wohnprojekte betrug rund 19 % und lag damit insgesamt niedriger als im Vergleichzeitraum des Vorjahres.

Zu den wohnungspolitischen Entwicklungen im ersten Halbjahr in Deutschland gehörten z. B. der Beschluss Ende Mai zur Einführung der Mietpreisbremse in Dresden und Leipzig und Änderungen bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Nachdem bereits seit Februar die Beantragung von BEG-Sanierungsprogrammen wieder möglich ist, wurde im April auch die BEG-Neubauförderung, mit geänderten Förderbedingungen, wieder aufgenommen. Außerdem hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Vermieter und Mieter beschlossen. In Schweden wurde zum Jahreswechsel die Investitionsförderung für Mietwohnungen eingestellt. Anträge, die 2022 nicht bewilligt werden, sind abhängig von einer politischen Entscheidung für zusätzliche Mittel im Jahr 2023. Zum 1. April 2022 wurden in Österreich die Richtwert- und Kategoriemieten erhöht. Zudem wurde in der ersten Jahreshälfte eine Neuregelung des Maklergesetzes zur Einführung des Bestellerprinzips angekündigt.