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Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sehr geehrte Damen und Herren,

heute beginne ich meinen Brief an Sie mit dem Thema Erwartungen. Sie sind für unser Handeln von großer Bedeutung, sie setzen den Rahmen, in dem wir agieren: Nachhaltig bezahlbarer Wohnraum und verlässliche Unterstützung im Alltag. Stabile Wertentwicklung und angemessene Dividendenpolitik. Bau neuer Wohnungen und Beitrag zum Gelingen der Energiewende. Mitwirkung an der Lösung sozialer Fragen und Verlässlichkeit als moderner Arbeitgeber. Dies alles sind berechtigte Erwartungen, die Sie als Stakeholder an uns herantragen. Das vergangene Jahr hat jedoch gezeigt, wie sehr makroökonomische Veränderungen diesen Rahmen beeinflussen. Wir sehen uns in der Verantwortung, unternehmerisch und im gesellschaftlichen Interesse mit diesen Veränderungen aktiv umzugehen.

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Von links: Arnd Fittkau Mitglied des ­Vorstands (CRO); Helene von ­Roeder Mitglied des ­Vorstands (CTO); Rolf Buch Vorsitzender des Vorstands (CEO); Daniel Riedl Mitglied des ­Vorstands (­CDO); Philip Grosse Mitglied des ­Vorstands (CFO)

Und das haben wir bereits: Unsere Entscheidung im November 2022, die Investitionen für 2023 zurückzufahren, löste in der Öffentlichkeit zahlreiche Diskussionen aus. Dies zeigt einmal mehr: Als führendes Immobilienunternehmen stehen wir besonders im Blickpunkt. Mir verdeutlicht das außerdem: Man zählt auf uns.

Vonovia hat sich 2022 positiv entwickelt. Unser Unternehmen steht weiter für Stabilität. Wir waren für unsere Mieterinnen und Mieter da und haben gut gewirtschaftet. Wir haben Wohnungen gebaut und unseren Bestand energetisch verbessert. Wir haben uns in die gesellschaftlichen Themen eingebracht – in den Quartieren vor Ort, in der Branche und auch im politischen Diskurs. Wir zeigen auch unter veränderten Vorzeichen: Auf uns ist Verlass.

Diese stabile Situation von Vonovia soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Welt seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in Aufruhr ist. Die Folgen – die hohen Energiepreise und die Inflation – spüren wir alle. Die Politik reagiert hier angemessen und beherzt. Was das Thema Wohnen angeht, liegen die großen Herausforderungen in der Gesellschaft aber noch vor uns.

An dieser Stelle möchte ich unsere eigenen Erwartungen formulieren. Denn: Die Wohnungswirtschaft allein wird die vor uns liegenden Aufgaben nicht lösen können, nicht unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Es braucht die Mitwirkung aller, auch der Politik. Wenn in Deutschland pro Jahr die vorgegebenen 400.000 neuen Wohnungen entstehen sollen, muss jemand jedes Jahr 100 Mrd. € investieren. Und damit ist der Bedarf vermutlich noch nicht gedeckt. Aktuelle Schätzungen gehen von einem Bedarf von bis zu 700.000 neuen Wohnungen aus. Soll der gesetzliche Klimapfad in Reichweite bleiben, kommen jährlich weitere 50 Mrd. € für die energetische Sanierung hinzu. Ohne private Investitionen ist das unmöglich.

Jetzt muss die Politik etwas tun. Wir brauchen ein angemessenes Niveau der Baustandards. Die Beschleunigung von Bauverfahren. Verbindliche Rahmenbedingungen anstatt einer weiteren Verschärfung des Mietrechts. Langfristig angelegte Förderprogramme. Damit schafft der Staat ein stabiles Umfeld, in dem sich privates Kapital an den Aufgaben beteiligt.

Wenn wir im Moment keine neuen Investitionsvorhaben auf den Weg bringen, dann nicht, weil wir das nicht wollten, sondern weil auch wir vor der Entwicklung der Baupreise und Zinsen nicht die Augen verschließen können. Bei unseren Investitionsentscheidungen müssen wir immer das Dreieck aus Baukosten, bezahlbarer Miete und Fördersumme betrachten. Zurzeit sind Neubau und Modernisierung zu vertretbaren Konditionen kaum möglich. Die Baukosten steigen insbesondere aufgrund der Finanzierungskosten massiv. Ein großer Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, steigende Mieten zu bezahlen. Die Förderprogramme sind deutlich reduziert. In diesem Umfeld wäre es falsch, unsere massiven Investitionsprogramme weiter fortzuführen.

Was mir an dieser Stelle sehr wichtig ist: Die Anpassung unserer Investitionsstrategie ist temporär. Wir verabschieden uns nicht von unseren langfristigen Klimazielen. Wir wollen bis 2030 eine CO₂-Intensität von unter 25 kg CO₂e/m² und bis 2045 einen nahezu klimaneutralen Bestand erreichen.

Hier kommt uns zugute: Wir haben in den vergangenen Jahren massiv investiert. Das hat uns einen Vorsprung bei der Sanierung gebracht. Wir lagen um das Dreifache über dem Bundesdurchschnitt. Dadurch hat sich die Qualität unseres Gebäudebestands deutlich verbessert. Das zeigt auch die Übererfüllung unserer Nachhaltigkeitsziele. Nur noch knapp 1,6 % unserer Gebäude gehören der Energieeffizienzklasse „H“ an. Davon profitieren übrigens unsere Mieter über einen geringen Energieverbrauch gerade in hohem Maße.

Die Kapitalkosten haben sich innerhalb weniger Monate verdreifacht. Ein solch rasanter Anstieg ist bisher einzigartig und hat bei Finanzmarktteilnehmern die Frage aufgeworfen, wie stark dies die Wertentwicklung unseres Immobilienbestands trifft. Die Zahlen zeigen: Der Einfluss ist begrenzt. Unser Bestand ist rund 95 Mrd. € wert. Der Rückgang von 3 % gegenüber dem Vorjahr ist vor allem auf den Verkauf von rund 10.600 Wohnungen in Berlin an die landeseigenen Wohnungsgesellschaften zurückzuführen. Die Abgabe des Berliner Teilbestands ist ein Baustein des „Zukunfts- und Sozialpakts Wohnen“, einer Vereinbarung mit dem Land Berlin, in deren Rahmen wir uns für eine soziale und nachhaltige Wohnungswirtschaft einsetzen.

Es ist wichtig zu verstehen: Der deutsche Immobilienmarkt lässt sich nicht mit den angelsächsischen Märkten vergleichen. Der Immobilienmarkt in Deutschland ist sehr stabil: Strenge Kreditvorgaben und hohe Transaktionskosten. Lange Kreditlaufzeiten mit entsprechenden Zinsfestschreibungen. Steuervorteile, wenn man eine Immobilie länger hält. Diese Rahmenbedingungen schaffen ein Umfeld, in dem Eigentümer ihre Immobilien nicht kurzfristig veräußern. Die aktuelle Ruhe auf dem Transaktionsmarkt bestätigt dies. Wenn wir auf den deutschen Wohnimmobilienmarkt blicken, können wir sagen: In den Ballungsräumen ist die Nachfrage so hoch wie wahrscheinlich noch nie zuvor.

Deutlich mehr Sorge bereiten mir die Folgen, die sich aus dem unberechenbaren Umfeld für den gesellschaftlichen Alltag ergeben könnten. Viele Mieterinnen und Mieter in unserem Land sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Sie können nicht dauerhaft mit der Frage leben, ob sie sich ihre Wohnung in zwei Jahren noch leisten können. Ebenso die Baubranche: Noch vor einem Jahr waren ihre Bücher brechend voll. Und wir bei Vonovia mussten sehr kreativ sein, damit wir unsere Projekte umsetzen konnten. Der Markt hat sich jedoch innerhalb kürzester Zeit gedreht. Als kluge Unternehmer werden sich Bauunternehmen beim nächsten Nachfrageschub genau überlegen, ob sie ihre Kapazitäten noch einmal so hochfahren werden. So kommen wir letztendlich auch an dieser Stelle wieder an den Punkt: Wir benötigen Planbarkeit und Verlässlichkeit seitens der Politik.

Nun möchte ich den Blick aber wieder auf unsere eigenen Aufgaben richten. Schauen wir also auf die Geschäftsentwicklung im vergangenen Jahr: Zum Jahresende konnten wir die Vorarbeiten zur Integration von Deutsche Wohnen abschließen und die Voraussetzungen zum Heben der avisierten Synergien schaffen. Diese werden höher ausfallen als erwartet. Bis 2024 werden sie wie geplant 105 Mio. € betragen, ab 2025 kommen jährlich weitere 30 Mio. € hinzu. 2023 werden wir, gemeinsam mit dem Management von Deutsche Wohnen, die Integration umsetzen und zum Erfolg führen.

Zusammengerechnet haben sich die Ertragswerte deutlich verbessert. Unser Umsatz – die Segmenterlöse Total – klettern um 20 % und das Adjusted EBITDA Total sogar um 23 %. Der Group FFO als Kennzahl für unsere nachhaltige Ertragskraft ist um 20 % auf 2.035,6 Mio. € gestiegen.

Unser Leerstand ist mit 2,0 % so niedrig wie noch nie. Wir haben kaum noch freie Wohnungen – aber gerade in den Großstädten eine unvermindert große Nachfrage. Um sie decken zu helfen, haben wir auch im Jahr 2022 umfangreich gebaut: mehr als 3.700 Wohnungen.

Unser Nettovermögenswert NTA ging im Vergleich zu 2021 leicht auf 45.744,5 Mio. € zurück. Pro Aktie lag der NTA bei 57,48 €. Hier wirkt sich auch die gestiegene Anzahl der Aktien aus der Aktiendividende aus.

Wir gehen davon aus, dass der Nachfragetrend gerade für unser Marktsegment, das wir im Bereich des bezahlbaren Wohnens verstehen, positiv bleibt. Über die Bestandsbewertung zweimal im Jahr geben wir Ihnen auch in Zukunft über unabhängige Gutachter Sicherheit.

Unser Verschuldungsgrad LTV liegt mit 45,1 % nahezu auf dem Niveau des Vorjahres. Mit unserer Zusage, kein zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, Akquisitionen auszusetzen und Investitionen sinnvoll umzustrukturieren, haben wir bereits wichtige Voraussetzungen für eine angemessene Kapitalallokation geschaffen.

Stabilität sehen Sie also auch bei unserem Finanzierungsprofil. Deshalb ist es folgerichtig, dass uns die renommierten Rating-Agenturen eine hohe Kreditwürdigkeit bestätigen. Sowohl Moody’s als auch Standard & Poor’s heben hervor: Unsere Finanzierungsquellen sind diversifiziert, unser Fälligkeitsprofil ist ausgewogen und unsere Liquidität ist angemessen.

Sie wissen, dass wir unser Unternehmen nicht nur nach finanziellen Kennzahlen steuern. Unser Nachhaltigkeits-Performance-Index SPI nimmt für uns eine ebenso wichtige Rolle ein. 2022 erreichte er 103 %. Damit haben wir unsere Ziele erneut übertroffen – vor allem im Bereich der CO2-Reduktion. Mit unserem neuen Dekarbonisierungstool können wir heute für jedes unserer Gebäude die aktuellen und künftigen Treibhausgasemissionen ermitteln. Das heißt: Wir können für jedes Gebäude sagen, wie eine optimale Modernisierung aussieht. Damit setzen wir in unserer Branche einen neuen Standard.

Die Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden liegt mit einem Plus von 1,3 % auf dem höchsten Stand, seitdem wir diese über ein unabhängiges Institut messen. Das freut mich besonders und spornt uns alle an, noch besser zu werden.

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

was bedeuten die aktuellen Rahmenbedingungen für die Dividende? Und wie sieht unser Ausblick auf das laufende Jahr aus?

Die Folgen des russischen Angriffskrieges haben dazu geführt, dass die Notenbanken weltweit die Zinsen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit erhöhen mussten. Unser langfristig stabiles Geschäftsmodell in einem regulierten Markt reagiert auf solche Veränderungen mit Zeitverzug. Dies wirkt sich auch auf einige unserer Kennzahlen aus.

Mittel- und langfristig jedoch verstärkt das neue Umfeld die Megatrends, die unser Geschäft treiben: zunehmend ungedeckte Nachfrage nach Wohnraum und die Fokussierung auf den Klimaschutz.

Die Entscheidung über die Dividende ist Ihr originäres Recht. Aus den vielen Gesprächen, die wir mit Ihnen geführt haben, nehmen wir zwei unterschiedliche Erwartungshaltungen mit. Eine Gruppe von Aktionären wünscht sich Dividendenkontiunität, eine andere fordert besondere Kapitaldisziplin. Für uns ist beides gleichermaßen wichtig.

Wir möchten die richtige Balance zwischen Ihren Anforderungen finden und halten es für angemessen, die Ausschüttungsquote für das Geschäftsjahr 2022 anzupassen und einen höheren Liquiditätsanteil einzubehalten. Am 17. Mai 2023 werden wir Ihnen, gemeinsam mit dem Aufsichtsrat, eine Dividende von 0,85 € pro Aktie vorschlagen. Die Anteilseignerinnen und Anteilseigner sollen auch in diesem Jahr zwischen einer Aktiendividende und der klassischen Bardividende wählen können.

Grundsätzlich halten Vorstand und Aufsichtsrat an der etablierten und unverändert gültigen Dividendenpolitik mit einer Ausschüttungsquote von ca. 70 % des Group FFO nach Minderheiten fest. Sie stellt auch künftig sicher, dass durch die Erlöse aus Recurring Sales und dem im Unternehmen verbleibenden Teil der Dividende genügend Mittel zur Verfügung stehen, um das Investitionsprogramm zu finanzieren.

Unser Geschäftsmodell ist intakt. Wir erwarten sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Wertentwicklungsseite weiterhin eine stabile Entwicklung. Die Nachfrage nach Wohnungen wird auch in diesem Jahr weiter steigen, das Marktumfeld bleibt jedoch herausfordernd. Wir erwarten eine weitere Steigerung unseres Umsatzes. EBITDA und FFO werden voraussichtlich auf bzw. leicht unter Vorjahresniveau liegen. Für das Geschäftssegment Development gehen wir aufgrund der geringeren Neubauaktivitäten von einem deutlichen Rückgang des EBITDA aus.

Für Modernisierung und Neubau werden wir etwa 850 Mio. € ausgeben. Bei den Investitionen sind Sie andere Beträge gewohnt. Wir hoffen sehr, dass wir im Sinne aller Beteiligten und der Gesellschaft bald dorthin zurückkehren können. Der Weg dorthin führt über verlässliche Rahmenbedingungen.

Ich danke Ihnen, liebe Aktionärinnen und Aktionäre und auch unseren Partnerinnen und Partnern, dass Sie den Weg von Vonovia unterstützen. Von den Erkenntnissen, die ich während meiner inzwischen zehnjährigen Zeit bei Vonovia gewonnen habe, möchte ich zwei besonders hervorheben: Die großen Aufgaben der Wohnungsbranche lassen sich nur gemeinsam lösen. Und: Damit es gut wird, müssen wir weit über die kurzfristigen Zyklen hinausdenken.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf ein aktuelles Ereignis eingehen: Anfang März 2023 haben die Behörden bei uns ermittelt. Offenbar haben sich einzelne Beschäftigte unserer Tochterunternehmen zum Schaden von Vonovia bestechen lassen. Diese Vorgänge werden wir lückenlos aufklären lassen. Darauf können Sie sich verlassen.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

viele von Ihnen sind viel länger als zehn Jahre an der Seite unserer Mieterinnen und Mieter. Ihr Gespür für die Situation, Ihre Entscheidung und Ihr freiwilliger Meter mehr ermöglichen es uns als Unternehmen, dass wir den vielfältigen Erwartungen unserer Stakeholder Jahr für Jahr verlässlich gerecht werden. Im Namen meiner Vorstandskollegin und meiner Vorstandskollegen möchte ich Ihnen an dieser Stelle sagen: Das ist uns sehr bewusst. Vielen Dank für Ihren großartigen Einsatz!

Bochum, im März 2023

Ihr

Rolf Buch
Vorsitzender des Vorstands